Interview mit Dr. Clemens Silbereisen, Kindernotarzt in München:

Kindersicherheit

:: Derk Bodak: Herr Dr. Silbereisen, können Sie uns kurz wichtige Notfallmaßnahmenbei häuslichen Unfällen von Kindern beschreiben?


:: „Bei allen Notfällen ist es zunächst sehr wichtig, Ruhe zu bewahren, also sich selbst und das Kind so gut es geht zu beruhigen.

 

Bei kleineren Verletzungen empfiehlt es sich, diese mit eigenem Verbandsmaterial zu versorgen. Oft lässt sich mit dann dem Kinderarzt telefonisch klären, ob ein Besuch in der Praxis erforderlich oder sogar eine Vorstellung in einer kinderchirurgischen Ambulanz nötig ist.

 

Zögern Sie bei heftigeren Unfällen nicht, gleich die europaweit gültige Notrufnummer 112 zu wählen. Die Rettungsleitstelle instruiert Sie über die Sofortmaßnahmen und entscheidet, ob ein Rettungswagen oder zusätzlich ein Notarzt geschickt wird. Bitte nichts mehr zum Essen oder Trinken verabreichen.

 

Stärker blutende Verletzungen müssen sofort komprimiert werden - falls Sie mit dem Kind alleine sind, soll dies sogar vor dem Notruf geschehen. Ist steriles Verbandsmaterial nicht gleich griffbereit, können Sie zunächst auch Taschentücher oder eine Küchenrolle nehmen. Bei Verdacht auf Knochenbruch ruhigstellen, kühlen und hochlagern.


:: Derk Bodak: Wie verhält man sich, wenn das Kind etwas verschluckt hat?


:: „Ist z.B. Nahrung oder ein kleiner Gegenstand in die Luftröhre gelangt, bemerkt man dies über den plötzlich einsetzenden Hustenreiz. Bitte nicht sofort auf den Rücken klopfen, sondern das Kind zum Husten auffordern. Nur wenn das Husten nicht effektiv funktioniert, folgen beherzte Schläge zwischen die Schulterblätter. Einen Säugling kann man auf den Unterarm legen, ein größeres Kind über den Schoß – in Kopftieflage und das Gesicht bodenwärts gerichtet. Zum Vorschein gekommene Fremdkörper sollen dann entfernt, der Mundraum aber nicht blind ausgewischt werden. Auch hier gilt: frühzeitig Hilfe über 112 rufen.

 

Steckengebliebene Gegenstände in der Speiseröhre führen zu Schluck-

störungen und Speichelfluss – sie müssen im Krankenhaus in Vollnarkose geborgen werden.“


:: Derk Bodak: Welche Unfälle passieren häufiger im Haushalt, was muss man für mehr Kindersicherheit beachten?


:: „Häufig sind Verbrühungen, seltener Verbrennungen. In beiden

Fällen gilt: Kühlen mit fließendem, handwarmem Wasser (kein Eiswasser, keine Eiswürfel).

 

Die Wundfläche wird dann vom Rettungsdienst versorgt, bitte auf keinen Fall zu alten Hausmitteln wie Mehl, Verbrennungssalben etc. greifen.

 

Beim Verschlucken giftiger Substanzen gilt: Nicht erbrechen lassen (z.B. verätzt eine Lauge die Speiseröhre dann noch ein zweites Mal, außerdem kann nun zusätzlich etwas in die Lunge gelangen), Verpackung (Tablettenschachtel, Flasche aus der getrunken wurde) und ggf. Erbrochenes sichern und mit in die Klinik nehmen.

 

Häusliche Stürze (z.B. vom Wickeltisch) können auch ohne sichtbare Spuren und mit zeitlicher Verzögerung schwere Folgen haben. Verzichten Sie nicht aus Scham auf eine ärztliche Untersuchung, Sie müssen auch keine Sorge haben, dass Ihnen gar eine Misshandlung unterstellt wird – Unfälle kommen in den besten Familien vor. Durch Umsicht und Prävention lassen sich aber viele Notfälle bereits im Vorfeld verhindern.“ Natürlich gilt: Kindersicherheit ist wichtig.

 


Vielen Dank für das Interview.


Kinderunfallhilfe e.V. 
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